Der Bengalgeier (Gyps bengalensis)

 

 

Der Bengalgeier gehört zu den Altweltgeiern aus der Gattung Gyps und ist ein Brutvogel Südasiens. Mit einer Größe von 75-85 cm und einer Spannweite bis zu 213 cm zählt er zu den mittelgroßen Geiern. Der Bengalgeier ist sehr gesellig und hat auch überhaupt keine Berührungsängste vor Menschen. Im Ökosystem des indischen Subkontinents nimmt er eine wichtige Rolle wahr.

 

Sein Hauptverbreitungsgebiet ist Südostasien zwischen Pakistan, Indien, Nepal, Myanmar, Thailand und Vietnam. 

 

Ursprünglich gehörte er zu den häufigsten Geiern in Indien und war auch in den Städten aus dem öffentlichen Leben nicht wegzudenken,  wo er, zusammen mit anderen Geierarten eine wichtige Funktion in der Aas- und Leichenbeseitigung erfüllte.

 

Der Bengalgeier - Vom Aussterben bedroht!

 

Bis Ende der 1990er Jahre kam es zu einem unerklärlichen Massensterben bei den Bengalgeiern. Lange wusste niemand, was diesen Artenrückgang ausgelöst hatte. Heute gilt der Geier als besonders gefährdet. Der Bengalgeier gehört zu den Geierarten, die auf jeden Fall Freunde brauchen, damit die Art überleben kann. Die Hintergründe, wie es dazu kam gibt es in diesem Artikel.

 

In Europa werden Bengalgeier gelegentlich in Zoos oder Greifvogelstationen gehalten und sind dort Teil eines Aufzuchtprogrammes.

 

bengalgeier michel viard istock
Bengalgeier mit geöffneten Schwingen (Source: Michel VIARD Agentur iStock)

 

Wie sieht der Bengalgeier aus?

 

Großer Geier mit langen, breiten Flügeln und leicht weißlich bedunten Kopf und Hals. Adulte Bengalgeier haben eine weiße Halskrause. Schwingen und Schwanz sind schwarz. Armschwingen heller mit silbergrau angehauchten Außenfahnen. Unterrücken und Bürzel weiß. Unterseite dunkel, mit dünnen gelblichen Schaftstrichen. Unterflügeldecken entweder bräunlich oder weiß.

 

Schnabel: schwarz mit grünlich-hornfarbener Spitze.

Wachshaut: schwarz

 

Läufe: schwarz.

 

Iris: braun.

 

 

 

Verbreitung und Bestandssitution des Bengalgeiers

 

Der Bengalgeier gehörte einst, zusammen mit Dünnschabelgeier, Indiengeier und Kahlkopfgeier, zu den häufigsten Geierarten Südasiens. Innerhalb von 13 Jahren verlor der Bengalgeier 97% der ursprünglichen Population durch ein Massensterben der Geier. Nachdem anfänglich überhaupt nicht klar war, was die Ursache war, wurden Studien in Auftrag gegeben, um die Ursache zu ermitteln. Erst spät wurde die tatsächliche Ursache gefunden. Dieser Massen-Exitus wurde durch Rinder-Kadaver verursacht.

 

Die Rinder waren zu Lebzeiten mit dem Schmerzmittel Diclofenac behandelt worden. Dieses Mittel ist uns auch aus der Humanmedizin bekannt und jeder, der orthopädische Beschwerden hat ist auch auf dieses Mittel angewiesen. Deshalb wurde es später auch in die Tiermedizin eingeführt. Was also bei Mensch und Weidevieh sehr hilfreich ist, haben die Geier nicht vertragen. Dabei gilt es auch zu bedenken, Geier vertragen jede Form von Leichengiften ohne daß ihnen etwas passiert, wir Menschen vertragen das nicht. Beim Bengalgeier jedenfalls führten die Reste des Schmerzmittels zu akutem Organversagen und in der Folge zum Tod. Die indische Regierung sprach danach ein Verbot des Mittels für die Tiermedizin aus. 

 

Für die Bengalgeier wurde ein Rettungsprogramm aufgelegt, das auch Zucht und Auswilderung beinhaltet. Die Bengalgeier überleben heute in geschützten Reservaten und bekommen an festgelegten Plätzen ausgesuchte Nahrung. Wegen der geringen Reproduktionsrate von <1 dürfte die Erholung der Bestände allerdings noch eine Weile dauern. 

 

Aktuell wurd der Bestand des Bengalgeiers auf nur noch 6.000 Individuen geschätzt. Der Status ist "critically endangered" - vom Aussterben bedroht.

 

 

Steckbrief: Bengalgeier

 

Brutzeit – Gelege – Größe – Gewicht – Nahrung – Biotop – Alter

 

Systematische Einordnung:

Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)

Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)

Gattung: Gänsegeier (Gyps)

Art: Bengalgeier

 

Wissenschaftlicher Name: Gyps bengalensis

 

Namen und Synonyme des Schmutzgeiers

 

Englisch: White-Rumped Vulture

Französisch: Gyps bengalensis

Niederländisch: Bengaalse Gier

Italienisch: Grifone dorsobianco del Bengala

Finnisch: Bengalinkorppikotka

Dänisch: Bengalgrib

Schwedisch: Bengalgam

Polnisch: Sęp bengalski

Persisch: دال پشت‌سفید, دال (کرکس) پشت‌سفید

Bengali: বাংলা শকুন

Nepali: डंगर गिद्ध

Thailändisch: แร้งเทาหลังขาว, อีแร้งเทาหลังขาว

Chinesisch: 白背兀鹫

Chinesisch (traditional): 白背兀鷲

Russisch: Бенгальский гриф

 

 

Beschreibung des Bengalgeiers

 

Vorkommen / Verbreitung: Der Bengalgeier ist großräumig in Südasien verbreitet. Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Ost-Iran über Afghanistan und den indischen Subkontinent und die südlichen Himalaya-Anrainerstaaten nach Myanmar, Thailand, Indonesien und bis nach Südwest-China..

 

Wanderungen: Brutvögel des Bengalgeiers aus den Gebieten zwischen Ostpersien und Nordindien ziehen während des Winterhalbjahres in die nahrungsreicheren Gebiete von Mittel- und Süd-Indien. In den südlichen Arealen scheint der Bengalgeier Standvogel zu sein. Der Bengalgeier ist Standvogel in den südlichen Verbreitungsgebieten. Zerstreuungswanderungen der Jungvögel.

 

Lebensraum – Biotop: Der Bengalgeier ist ein Brutvogel der offenen Landschaften, Mittelgebirge und besiedelten Areale. So kommt der Bengalgeier selbst in dichtbesiedelten Metropolen wie Bombay (Mumbai), Delhi, oder Rangun vor, wo er ohne Scheu inmitten großer Menschenmengen sitzt und auf Beute wartet. In Indien ist der Bengalgeier der Aasbeseitiger schlechthin.

 

Verhalten: Bengalgeier lauern andauernd auf neue Beute und so versammeln sie sich gerne in der Nähe von Ortschaften oder in Ballungsräumen. An diesen „Warte“-Plätzen vergesellschaften sie sich auch mit dem Indiengeier. Im Himalaya vergesellschaften sie sich mit dem Himalayageier an den Luderplätzen. Obwohl Bengalgeier als aggressiv und streitlustig gelten, akzeptieren sie am Luder die Rangordnung: Kahlkopfgeier – Bengalgeier - Indiengeier.

 

Kennzeichen: Der Bengalgeier ist ein großer Geier mit langen, breiten Flügeln und leicht weißlich bedunten Kopf und Hals. Adulte Bengalgeier haben eine weiße Halskrause. Schwingen und Schwanz sind schwarz. Armschwingen heller mit silbergrau angehauchten Außenfahnen. Unterrücken und Bürzel weiß. Unterseite dunkel, mit dünnen gelblichen Schaftstrichen. Unterflügeldecken entweder bräunlich oder weiß.

 

Größe: 75-85 cm

Schwanzlänge: 22-24 cm

Gewicht: 5000-5250 g; immatur ca. 4760 g

Spannweite: 192-213 cm

Flügellängen: 557-608 mm; ♀größer

Geschlechtsreife: wahrscheinlich im fünften Lebensjahr, mit dem Ausfärben in das adulte Kleid.

 

Stimme - Ruf: schnarrende und grunzende Paarungslaute während der Balzzeit.

Paarungszeit: Die Paarungszeit beginnt mit der Balz vor Beginn der Brutzeit im Oktober.

 

Bruten1 Jahresbrut

Eiablage: frühestens ab Oktober

Brutzeit: Nordindien zwischen November und Januar; Thailand zwischen März und April. Im westlichen Himalaya wird noch in Höhen von bis zu 1.200m gebrütet.

 

Nest: Der Bengalgeier baut ein Nest aus Reisig. Horstrand und Mulde werden mit grünen Zweigen ausgelegt.

 

Neststandort: Der Horst des Bengalgeiers wird auf Bäumen errichtet, wobei auch mehrere Horste auf einem Baum genutzt werden können. Als Bäume kommen Tamarinden, Banyan- oder Pipalpalmen in Frage. Mit dem Horstbau wird schon im September begonnen.

 

 

Gelege: 1 Ei

Eier: Ei mit weißer Schale und teilweise mit brauner Fleckung.

 

Eimasse und Eigewichte

Länge x Breite: 82,5x60,9 mm

Gewicht: ≈ ??? g

 

Nachgelege: bisher keine Daten zu Nachgelegen.

 

Brutdauer: 45-52 Tage; ♂ und ♀ brüten abwechselnd

 

Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, die von beiden Altvögeln gefüttert werden. Nestlingsdauer ca. 80-90 Tage.

 

Flügge: Es ist anzunehmen, dass - wie auch bei den anderen Altweltgeiern - die jungen Bengalgeier nach dem Ausfliegen noch mehrere Wochen von den Altvögeln betreut werden.

 

Nahrung: Der Bengalgeier ist ein reiner Aasfresser. Als Beute kommt alles Fallwild, Kadaver von Rindern, totes Vieh nach Ausbrüchen von Viehseuchen in Frage. An heiligen Stätten werden auch die Leichen von Menschen gefressen, die aus religiösen Gründen, nicht beerdigt oder verbrannt werden.

 

Lebensdauer: Der Bengalgeier kann ein Alter von ca. 25 Jahren erreichen.

 

Mortalität - Sterblichkeit: Junggeier der Gattung Gyps sind in den ersten 2 Monaten noch sehr gefährdet. In dieser Zeit kommen die meisten der ausgeflogenen Individuen um. Wenn der Junggeier die ersten 2 Monate überlebt hat, steigen seine Chancen, die Brutreife zu erreichen. Nur 50% der Junggeier erreichen überhaupt das Ende des ersten Lebensjahres. Nur 8% erreichen noch die Brutreife.

 

Feinde und Gefährdungen: Ab 1993 wurde beim Bengalgeier ein Bestandsrückgang um 99% festgestellt, was bis Ende der 1990er Jahre fast zum Aussterben der Art führte. Das Sterben der Bengalgeier wurde, Untersuchungen zufolge, durch den Arzneimittelwirkstoff Diclofenac ausgelöst. Die Verwendung dieses Mittels in der Tiermedizin führte dazu, daß die Geier nach dem Verzehr von Tierkadavern eingegangen sind. Der einst häufige Bengalgeier gehört heute zu den besonders gefährdeten Arten.

 

 

 

Quellennachweise

 

Brown, Leslie, Die Greifvögel, Ihre Biologie und Ökologie, Paul Parey Verlag Hamburg und Berlin, 1979

Ferguson-Lees, James, Christie, David, Raptors of the World, A Field Guide, Christopher Helm London, 2005, reprinted 2019

Fischer, Wolfgang, Die Geier, Die Neue Brehm-Bücherei, A. Ziemsen Verlag Lutherstadt Wittenberg, 1963

Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989

Grzimek, Bernhard et al (HG), Grzimeks Tierleben, Band VII, Vögel 1, Kindler Verlag AG Zürich, 1968

Mebs, Theodor, Die Greifvögel Europas Nordafrikas und Vorderasiens, Franchk-Kosmos Verlags GmbH & Co. KG, 2. Auflage 2014

Weick, Friedhelm, Die Greifvögel der Welt, Verlag Paul Parey Hamburg und Berlin, 1980

 

Bildnachweise

 

Bengalgeier mit geöffneten Schwingen - Source: Michel VIARD Agentur iStock