Der Ohrengeier (Torgos tracheliotos)

 

 

Der Ohrengeier ist ein Altweltgeier aus der Gattung Torgos. Mit einer Körpergröße von ca. 108 cm und einem Gewicht von bis zu 6800 g gehört der Ohrengeier zu den großen Altweltgeiern. Als Geier gehört der Ohrengeier wie die großen Gänsegeier und Mönchsgeier zu den Aasfressern und Kadaververwertern. 

 

Als Brutvogel ist der Ohrengeier inzwischen als extrem gefährdet eingestuft. Sein westpaläarktisches Vorkommen ist nur noch auf drei Stellen beschränkt:

  • Nordwest-Afrika (Marokko und Mauretanien)
  • Südost-Ägypten
  • Südliches Israel

Außerhalb der Westpaläarktis, im Westen und Süden der Arabischen Halbinsel sowie in weiten Teilen Afrikas soll der Ohrengeier dagegen noch häufiger vorkommen. Es existieren Vorkommen südlich der Sahara und bis nach Tansania und von Zimbabwe südwärts bis nach Südafrika.

 

ohrengeier ecopic istock
Fliegender Ohrengeier mit ausgebreiteten flügeln und ausgestreckten Läufen, kurz vor der Landung (Source: EcoPic - Agentur iStock)

 

Wie sieht der Ohrengeier aus?

 

Der Ohrengeier ist ein sehr großer Geier; die Flügelspannweite reicht von 250-290 cm. Er hat lange und breite Schwingen sowie einen langen Schwanz. Bei den adulten Vögeln fallen im Stehen und im Flug die weißen Läufe auf. Den langen Hals ziert ein Federkragen, wie wir ihn vom Mönchsgeier her kennen. An dieser Stelle würde eine Zuordnung zur Gattung Aegypius tatsächlich Sinn machen.

 

Im Flug hält der Ohrengeier die Flügel waagerecht. Sein Vorderhals und Kopf sind nackt und beim adulten Vogel ist die Haut rot. Der Hinterkopf und der obere Halsabschnitt zeigen eine runzlige, in Falten gelegte Haut, die knapp unterhalb des Kopfes wie in Lappen herunterhängt. Auf der Brust zeigt der Ohrengeier lange dunkle Federn mit Längstreifen, auf der ansonsten weißen Unterseite. Schwanz, Bürzel, Hand- und Armschwingen sind dunkelbraun. Auch die Oberflügeldecken sind dunkelbraun. Nur am Unterflügel verläuft in der Mitte der Unterflügeldecken ein langes weißes Band. Das vorige Bild zeigt die Nominatform.

 

Die Ohrengeier von der Arabischen Halbinsel zeigen eher dunkle Läufe und der Kopf ist beige statt rot.

 

Es besteht Verwechslungsgefahr mit dem Mönchsgeier.

 

Erst mit 6-7 Jahren wechselt der Ohrengeier in das Alterskleid.

 

 

 

Die Unterarten des Ohrengeiers

 

In seinen Verbreitungsgebieten kommt der Ohrengeier in drei anerkannten Unterarten vor:

  • Torgos tracheliotos tracheliotos - Nominatform großen Teilen Afrikas
  • Torgos t. negevensis - im Süden Israels
  • Torgos t. nubicus - Ägypten, Sudan, Äthiopien und Arabische Halbinsel

 

 

Steckbrief: Ohrengeier

 

Brutzeit – Gelege – Größe – Gewicht – Nahrung – Biotop – Alter

 

Systematische Einordnung:

Ordnung: Greifvögel (Accipitriformes)

Familie: Habichtverwandte (Accipitridae)

Gattung: Schmutzgeier (Neophron)

Art: Ohrengeier

 

Wissenschaftlicher Name: Torgos tracheliotos

 

Namen und Synonyme des Ohrengeiers

 

Englisch: Lapped-faced Vulture

Französisch: Vautour oricou

Niederländisch: Oorgier

Schwedisch: Afrikansk örongam

Polnisch: Sep uszaty

Russisch: Afrikanski uschastnij grif

 

Vorkommen / Verbreitung: Brutvogel der Westpaläarktis. Die Vorkommen des Ohrengeiers sind nur noch vereinzelt und zwar in Nordwest-Afrika (Mauretanien), südliches Ägypten, südliches Israel, Westen und Süden der arabischen Halbinsel.

 

Wanderungen: Standvogel mit Zerstreuungswanderungen der Jungvögel.

 

Lebensraum – Biotop: Steppen- und Wüstengebiete, Gebirge. Für die Brut werden einzeln stehende Bäume benötigt.

 

Verhalten: Sehr dominant gegen andere Geier und Schakale an Kadavern. Nahrungsflüge werden in einem Radius von bis zu 150 km unternommen.

 

Kennzeichen: Sehr großer Geier, ähnlich dem Mönchsgeier. Oberseite dunkelbraun, Kopf weiß und kahl, Unterseite hell mit dunkleren Längstreifen im Brustbereich. Nackter Vorderhals. Mächtiger Schnabel. Im Flug werden die Flügel vollkommen waagerecht gehalten.

 

Schnabel: hornfarben.

 

Lauf und Fuß: grau.

 

Iris: dunkel.

 

Größe: ca. 108 cm, davon 34-38 cm Schwanzlänge

Gewicht: 6800 g

Spannweite: ca. 280 cm

 

Stimme - Ruf: Nicht ruffreudig, eher stumm. Bei Auseinandersetzungen an Kadavern werden zischende, fauchende und grunzende Laute geäußert.

 

Geschlechtsreife: Der Ohrengeier erreicht die Geschlechtsreife frühestens nach 4-5 Jahren.

Paarungszeit: Wahrscheinlich halten die Paare lebenslang zusammen.

 

Bruten1 Jahresbrut

Eiablage: In Nordafrika und Saudi-Arabien zwischen November und Februar, meistens ab Dezember

Brutzeit: ab November bis Mitte März.

 

Nest: Nest als Plattform von Ästen und Zweigen. Große Struktur mit Durchmessern von bis zu 200-250 cm; Höhe = 80 cm. Die Nestmulde kann bis zu 130 cm im Durchmesser erreichen und wird mit Gras, Dung, Fell und Haaren ausgelegt.

Neststandort - Brutrevier: Entweder in der flachen Krone von Bäumen oder an Felshängen. Alte Nester werden wieder genutzt.

 

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Ei des Ohrengeiers - Attribution: Von Roger Culos - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84321075 - siehe Bildnachweise

 

Gelege: 1 Ei

 

Eimasse: 94x70 mm

Eigewicht: 240-244 g

Eier: länglich-oval mit stumpfen Polen, weiße Schale mit sehr dichter hellbrauner Fleckung.

 

Nachgelege: Nachgelege werden nur bei sehr frühem Verlust, kurz nach dem Legen.

 

Brutdauer: 54-56 Tage, wahrscheinlich brütet nur das ♀.

 

Nestlingsdauer - Führungszeit: bedunte Nesthocker, 122-136 Tage, der von beiden Altvögeln betreut und gefüttert wird.

 

Flügge: Nach dem Ausfliegen wird der junge Ohrengeier noch weitere 4-5 Monate von den Altvögeln betreut.

 

 

Nahrung: Fleisch, Haut und Knochenteile von Kadavern, gelegentlich auch Termiten und Heuschrecken. Bei einer Mahlzeit kann der Ohrengeier bis zu 1450 g Nahrung aufnehmen.

 

Lebensdauer: Das Höchstalter des Ohrengeiers liegt bei ca. 40 Jahren.

 

Mortalität - Sterblichkeit: Die Sterblichkeit der Jungen beträgt in den ersten drei Monaten nach dem Flüggewerden ca. 17%, für ältere Individuen.

 

Feinde und Gefährdungen: Illegaler Abschuss und Fang. Offenbar ist die hohe Mortalitätsrate durch die niedrige Fortpflanzungsrate nicht mehr auszugleichen.

 

Jagdbares Wild: Nein

Jagdzeit: Nein, Naturschutz

 

 

Quellennachweise

 

Ferguson-Lees, James, Christie, David, Raptors of the World, A Field Guide, Christopher Helm London, 2005, reprinted 2019

Glutz von Blotzheim, Urs et. al (HG), Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 4, Falconiformes, AULA-Verlag Wiesbaden, 2. durchgesehene Auflage 1989

Mebs, Theodor et. al, Die Greifvögel Europas, Franck-Kosmos Verlags GmbH, 2. Auflage 2014

Svenson, Lars et. al, Der Kosmos Vogelführer, Franck-Kosmos Verlag GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2. Auflage 2011

 

 

Bildnachweise

 

Ei des Ohrengeiers, Attribution: Von Roger Culos - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84321075, Museum de Toulouse; File URL: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Torgos_tracheliotus_MHNT.ZOO.2010.11.78.7.jpg; Page URL: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Torgos_tracheliotus_MHNT.ZOO.2010.11.78.7.jpg

Fliegender Ohrengeier: EcoPic - Agentur iStock